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Pendelgeschichten: Wenn ich zur Entspannung ein Buch aus Papier und „Tinte“ brauche

Tablet mit Tastatur auf einem Tisch im Zug

Eines vorweg: Ich lese gerne. Und zwar sowohl digital auf einem meiner zwei eBook-Reader, als auch analog auf Papier. Trotzdem hat mich überrascht, was ich gestern an mir und meinen Bedürfnissen bemerkt habe. Ich fange mal vorne an …

Ein anstrengender Tag lag hinter mir. Ich war um viertel vor sieben aus dem Haus gegangen (6:45 Uhr), kurz nach neun Uhr war ich an meinem Arbeitsplatz. Diese Anfahrtszeit bis ins Büro ist übrigens nicht ungewöhnlich für mich, denn ich pendle zu meiner Arbeitstelle. Mehr darüber findet sich zum Beispiel in meinem Beitrag Die Vorteile des Pendelns. Für den Tag erwartete mich unter anderem – ich nenne es mal – konzeptionelle Stillarbeit mit vielen bunten Karten, Post-its, einem Riesen-Flipchartbogen, Sprühkleber und dem Grundlegendsten: hunderte Gedanken und Fragen, die kurz nach dem Mittag mit Kollegen besprochen werden wollten. Spannend, herausfordernd und insgesamt ein langer Prozess. Hinzu kamen weitere Termine und Projekte, die den Tag nicht einfacher machten. Nachdem der am Abend zuvor zurückgelegte Pendelweg ungeplant eine Stunde länger dauerte und ich zudem eine Stunde länger im Büro geblieben war, rächte sich dies bereits in etwas mehr Anspannung am Morgen dieses Tages. Die gefrorenen Straßen und die Aussicht auf zwei Stunden Sport nach Feierabend ließen die Anspannung leider nicht weniger werden, die oben beschriebene Arbeit auf einem hohen Konzentrationslevel, packte nochmal einiges oben drauf.

Nach ungefähr sieben Stunden kam der Feierabend und mindestens wer selbst Projektarbeit macht, wird die Situation kennen, dass sich fast nie ein „FERTIG“-Gefühl einstellt. Man unterbricht einfach nur seine Arbeit nach einer gewissen Anzahl von Stunden und macht am nächsten Tag weiter. Das kann auch frustrierend sein. Durch die Anforderung, dass ich einen geeigneten Pendelzug erreichen muss, ist manchmal auch ein hartes Unterbrechen des Denkflusses nötig, Aber selbst das ist gut so, kann abgrenzen und … außerdem gewöhnt man sich dran. Für gewöhnlich kann ich dann im Zug richtig gut abschalten und Abstand gewinnen. Ich genieße dann diese gute Stunde im IC oder ICE (im RE ist das schon schwieriger).

Und was war gestern los?

Gestern aber hatte ich bereits auf dem Bahnsteig keine Lust darauf, mich gleich in mein eBook zu vertiefen. Am Buch lag es nicht, das gefiel mir gut und ich war auch neugierig auf den Fortgang der Geschichte. Das hat mich nachdenklich gemacht und ich fing an dieses Gefühl zu hinterfragen. War war los, dass ich offensichtlich keine Lust darauf hatte in meinem digitalen Roman zu lesen?

Herausgekommen ist eine für mich jetzt im Rückblick gar nicht so erstaunliche Schlussfolgerung: Ein eBook enthält den gleichen Text (ggf. auch Illustrationen), wie die analoge Version in Form einer Printausgabe, eines Buchs aus Papier. Der digitale Text enthält auch dieselbe „Seele“, dieselbe Aussagekraft, wie die gedruckte Version. Aber … das Dumherum ist ein anderes.

Es fehlt der typische Geruch eines Buches (ich liebe es an Büchern zu schnüffeln, gehe hin und wieder sogar nur aus diesem Grund in eine Buchhandlung). Es fehlt die gesamte Haptik, das Gefühl in den Fingerspitzen, wenn diese eine Seite genüsslich umblättern. Das Gefühl ein gedrucktes Buch in den Händen zu halten. Es fehlt das sinnliche Erlebnis, das sich einstellt, wenn ich Bücher betrachte, ihren Duft schnuppere oder sie berühre. Zusammengefasst fehlt es an Äußerlichkeiten. Und all diese Äußerlichkeiten würden mich an einem solch anstrengenden Tag auffangen, mir den Zugang zum Text überhaupt erst ebnen. Bin ich erst einmal vom Text gefangen und habe die erste Hürde der hohen Anspannung überwunden, ist es wieder gleichgültig, ob das Buch als digitale Fassung auf meinem eBook-Reader oder in gedruckter Form vor mir liegt.

Das Ganze hat tatsächlich einen Hauch von Oberflächlichkeit. Zeigt mir aber auch, dass an solchen Tagen für mich einfach ein sinnlicher Reiz vor dem Genuss eines Textes stehen muss. Zum Glück sind diese Tage nicht die Regel, auch wenn sie momentan sehr häufig vorkommen. Bevor ich nun aber als sinnlichen Reiz jedes Mal einen Riegel Schokolade vor dem Lesen des Romans auf dem eBook-Reader konsumiere, werde ich mir lieber im Bahnhof noch etwas auf Papier gedrucktes kaufen, wenn ich selbst nichts dabei habe. Oder mich anderweitig beschäftigen. So wie gestern, als ich diesen Beitrag per Hand in einem Notizbuch skizzierte.

Und nun – auf in den Tag, in gut 30 Minuten bin ich im Büro.

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9 Comments

  • jacquysthoughts
    18. Februar 2018 at 16:41

    Ich verstehe das gut, ich lese auch weiterhin lieber gedruckte Bücher als ebooks, auch wenn diese doch ihre Vorteile haben. Wenn ich ein Buch auf Papier habe, habe ich viel eher Lust, weiterzulesen, ganz unabhängig von der Geschichte und Qualität. Das wirkt einfach viel eher wie Entspannung, als auf einen Bildschirm zu schauen, was man den Rest des Tages ja oft schon mehr als genug macht.

    Reply
    • booknapping
      18. Februar 2018 at 19:21

      Obwohl der eBook-Reader-Bildschirm ja nicht vergleichbar mit einem Computermonitor ist, da er nicht von sich aus leuchtet. Die Augen ermüden dadurch nicht, trotzdem ist es der Einstieg ins digitale Lesen, der mir an Tagen, an denen ich ein hohes Anspannungslevel habe, schwer fällt. Welchen eBook-Reader verwendest du, wenn du digital liest? Ich habe einen Kobo Glo HD und einen Tolino Vision HD.

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Reply
      • jacquysthoughts
        18. Februar 2018 at 21:52

        Ja, das stimmt. Ich meinte auch nicht dass es für die Augen anstrengend ist, sondern dass es vom Gefühl her vielleicht ähnlich ist und man mit einem gedruckten Buch mehr Kontrast dazu hat. Schwer zu erklären.
        Ich habe noch einen ganz simplen Kindle, ohne Beleuchtung, ohne alles.

        Reply
        • booknapping
          19. Februar 2018 at 19:52

          Ich kann verstehen, was du meinst :-) Und zum Glück haben wir ja die Wahl, können jeweils hier oder dort lesen. Welch ein Luxusproblem.

          Ganz liebe Grüße,
          Sandra

          Reply
  • Michael Kleu
    14. Februar 2018 at 13:14

    Selten ein „FERTIG“-Gefühl zu haben, finde ich persönlich auch ganz furchtbar. Besonders schlimm ist, dass man dann am Wochenende oder abends oft auch nicht richtig abschalten kann.

    Ich lese Bücher am liebsten in Papierform, weil ich soviel Zeit vor dem Computer verbringe, dass ich es als entspannend empfinde, etwas ohne Bildschirm zu lesen. Bisher konnte ich mich daher noch rein gar nicht für ebooks begeistern, aber vielleicht kommt das noch.

    Reply
    • booknapping
      14. Februar 2018 at 16:40

      Lieber Michael,
      ich kenne das so gut, was du beschreibst. Die ganzen Gedanken und nächsten Schritte mit nach Hause zu nehmen und nicht abschalten zu können. Generell habe ich da eigentlich ganz gute Methoden entwickelt, um damit zurecht zu kommen, manchmal versagen aber auch diese. Und jetzt weiß ich endlich, dass ein eBook mich in solch einer Situation nur wenig „runterbringt“. Oder anders herum – ein Papierbuch würde es viel schneller schaffen. Schokolade natürlich auch :-D

      Und auch das mit der Bildschirmarbeit teile ich – da mag man manchmal einfach nicht mehr auf ein Display schauen. Beim richtigen Buch allerdings, und das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, vergisst du ganz ganz schnell, dass du ein Display vor dir hast. Probier es mal aus.

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Reply
  • Nicci Trallafitti
    14. Februar 2018 at 12:34

    Liebe Sandra,
    ich finde den Weg zu der Erkenntnis echt spannend.
    Für mich haben gedruckte Bücher auch einen höheren Wert obwohl sie, wie du schon sagtest, inhaltlich gleich sind.
    Für mich ist es eine tolle & wichtige Erfahrung, Bücher mit allen Sinnen erfahren zu können und irgendwie finde ich den Gedanken gar nicht so oberflächlich. Meiner Meinung nach sind Reader oberflächlicher, da es dort ausschließlich um das Lesen von Büchern geht, ohne das drum herum.
    Schwer zu erklären, aber vielleicht weißt du ja, wie ich das meine. :)

    Liebe Grüße,
    Nicci

    Reply
    • booknapping
      14. Februar 2018 at 16:36

      Hi liebe Nicci,
      danke für deine Meinung zu meinem Beitrag :-) Und ja, ich glaube zu verstehen, was du meinst. Ich habe drüber nachgedacht, kann aber deine Meinung ein eBook bzw. das Lesen auf einem eBook-Reader als oberflächlich anzusehen nicht teilen. Ich lese dann ja „nur“ den Text und werde nicht „abgelenkt“ durch zusätzliche sinnliche Eindrücke, wie beispielsweise ein geprägtes Cover oder einen (für mich) angenehmen Duft. Ich hatte auch eher mich als oberflächlich bezeichnen wollen, weil ich mich nicht vom Inhalt, sondern vom Äußeren beeinflussen lasse. Nicht falsch verstehen – ich finde es schön, mich davon einfangen zu lassen und freue mich auch nun besser zu wissen, wann ich unbedingt ein Papierbuch brauche :-) Und schließlich lieben wir doch alle das Drumherum. Oder etwa nicht? :-D

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Reply
      • Nicci Trallafitti
        14. Februar 2018 at 21:37

        Eben! Das Drumherum finde ich am tollsten. Wobei ich zwischendurch auch ebooks gerne lese, vor allem unterwegs und in der Badewanne. Und für den Urlaub ist so ein Gerät auch suuuper praktisch :)

        Reply

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