Karl Metzner gehörte einer Widerstandsgruppe an. Es war im Jahr 1943, als er mit der Situation in seiner Heimatstadt Erfurt überaus unzufrieden war und sich zusammen mit vier Freunden geradezu todesmutig dem Nazi-Regime entgegen stellte. Karl war für die Flugblätter zuständig, tippte diese heimlich auf einer geliehenen Schreibmaschine. Allerdings waren die Jungen sich nicht im Klaren darüber, wie gefährlich und auch wie mutig ihr Vorhaben war.
Am 16. September 1943 wurden die Vier nach kurzer Aktivität verhaftet und im Keller des Gestapogebäudes verhört. Anschließend ins Gerichtsgefängnis verbracht, wo sie monatelang um ihr Leben bangen mussten bis ihr Fall tatsächlich vor Gericht verhandelt wurde.
Angeklagt sind die Handelsschüler Jochen Bock, Joachim Nerke, Karl Metzner, Gerd Bergmann und Helmut Emmerich wegen Rundfunkverbrechens und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens! Der Angeklagte Bock hörte ausländische Sender ab und gründete hierauf gemeinsam mit dem Angeklagten Nerke eine Zelle des „Nationalen Kommitees Freies Deutschland!“ Als Propagandamaterial entwarfen sie Flugblätter. Als Mitläufer waren Metzner, Emmerich und Bergmann beteiligt.
— Nieder mit Hitler! oder Warum Karl kein Radfahrer sein wollte, S. 106
Sie alle hatten unfassbares Glück, denn keiner von ihnen wurde zum Tode verurteilt, nachdem ihr Lehrer, der selbst Mitglied der NSDAP war, ein gutes Wort für sie eingelegt hatte.
Nach Kriegsgefangenschaft lässt sich Karl schließlich als Kreisjugendpfarrer auf dem Land nieder. Seine Erinnerungen an die Vergangenheit verblassen immer mehr. Bis fast 20 Jahre nach den traumatischen Erlebnissen mit der Gestapo die Stasi an seine Tür klopft. Er soll kooperieren, wird unter Druck gesetzt. Karl muss sich entscheiden, aber hat er denn überhaupt eine Wahl?
Karls Geschichte
Nieder mit den Nazis! Schluss mit dem Krieg! Nieder mit Hitler! Die fünf jungen Männer waren sich der großen Gefahr, in die sie sich mit ihrem Widerstand gegen das Nazi-Regime stellten, nicht vollständig bewusst. Aber sie stellten sich dagegen, sie entschlossen sich dazu, die Situation nicht länger wehrlos hinzunehmen. In stillen Bildern erzählen Jochen Voit und Hamed Eshrat von Karl, dessen Leben von Krieg und Unterdrückung geprägt war. Und der sich nichtsdestotrotz nie hat unterkriegen lassen. Erst als jetzt vor wenigen Jahren eine Gruppe Studierender die damaligen Geschehnisse näher betrachtete, erhielten die jungen Widerständler rückwirkend Anerkennung für ihre mutigen Taten.
Gedeckte Farben geben dieser Graphic Novel einen passenden Anstrich, untermalen damit die bedrückende Stimmung in den Diktaturen. Die Autoren arbeiten nicht mit Schockeffekten, sondern bleiben mit ihrem Stil in weichen Bildern und der Erzählung in einem eher zurückhaltenden Ton. Ganz passend zum Charakter des Protagonisten, wie wir auf einer Seite im Anhang erfahren. Denn Karl Metzner stand nie gerne im Mittelpunkt.
Dabei war er Pfarrer und müsste das Im-Mittelpunkt-Stehen eigentlich gewohnt sein. Er spricht auch nicht gerne über sich. Lieber drückt er einem Flyer in die Hand, die zu Friedensdemos aufrufen, oder empfiehlt nachdrücklich aktuelle politische Bücher.
— Nieder mit Hitler! oder Warum Karl kein Radfahrer sein wollte, Anhang
Auf seinem Lebensweg zeigt dieser bescheidene Mann, dass es sich lohnt, sich zu wehren. Sich lohnt für Frieden und Gerechtigkeit einzustehen. Sich lohnt, nicht mit der Masse zu laufen und sich lohnt, mutig zu sein. Ich hatte vor diesem Comic nie von der Erfurter Widerstandsgruppe gehört und bin noch immer betroffen vom Schicksal dieses einen Menschen. Ich war zudem überrascht, wie lange es doch dauern kann, bis solcher Einsatz gewürdigt wird. Aber nicht die Würdigung ist das, was zählt. Sondern die Taten selbst und die so deutliche Überzeugung darüber, für seine Mitmenschen einzutreten.
Nieder mit Hitler! berichtet von einer Gruppe junger Menschen, die ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, deren eigenen Hintergründe und Familien aber ganz verschieden sind. Wie diese Fünf diese Unterschiede unbeachtet hinter sich lassen und dann als Gruppe gemeinsam agieren zeugt von großer Toleranz und Zusammenhalt. Auch wenn es sie fast das Leben gekostet hätte, hat Karl nie aufgegeben.
Ein tolles Buch, das wach hält und sich im Besonderen an jüngere Leser*innen richtet. Es ist ausdrücklich für Comic-Einsteiger geeignet und auf einfühlsame Weise erzählt. Dieses Buch empfehle ich mit Nachdruck auch als Material für den Schulunterricht. Es kann gar nicht genug gegen das Vergessen getan werden. Das enthaltene Hintergrundmaterial am Ende des Bandes informiert über die historischen Personen und gibt Hinweise auf weiterführende Informationen, wie beispielsweise die Webseite zum im Rahmen des Studienprojekts entstandenen Dokumentarfilms: Nieder mit Hitler (Link).
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Nieder mit Hitler! oder Warum Karl kein Radfahrer werden wollte
Szenario / Zeichnungen
Jochen Voit / Hamed Eshrat
Informationen zu den Autoren finden sich auf der Verlagswebseite (Link)
Genre und Leseprobe
Graphic Novel. Comic. Biographie. Historisch.
Eine Leseprobe gibt es hier beim Avant Verlag
Noch ein paar Details
Im September 2018 erschienen im Avant Verlag, ISBN 978-3-945034-98-9, 152 Seiten, Softcover, Euro 20
Weitere Rezension zu diesem Band zum Beispiel auf:
Letterheart
Den Comic habe ich als kostenfreies Rezensionsexemplar erhalten.
Meine Meinung ist davon völlig unbeeinflusst.
3 Comments
Michael Kleu
13. Februar 2019 at 19:35Was denkst Du, wie alt man für das Buch in etwa sein sollte?
booknapping
13. Februar 2019 at 19:51Ich denke ab 10-12 Jahren kann man es gut lesen. Für mich hätte das auf jeden Fall gepasst :-)
Liebe Grüße
Sandra
Michael Kleu
13. Februar 2019 at 20:01Danke!
;-)
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