Debbie Tungs Geschichten einer Introvertieren sind nicht aus der Luft gegriffen, denn die Künstlerin weiß sehr gut, wovon sie spricht. Als Introvertierte in einer stark extrovertiert geprägten Welt zu leben, ist mit vielen Schwierigkeiten gespickt. In kleinen Episoden berichtet Tung von dem Gefühl, überfordert zu sein und nicht dazuzugehören. Ihre Protagonistin freut sich über eine abgesagte Party – am liebsten ist ihr bei manchen Treffen gar nicht erst eingeladen zu werden. Wenn es regnet, muss sie sich keine Ausreden einfallen lassen, um sich zu Hause allein in ein Buch zu vertiefen. Und als sie Jason begegnet und lieben lernt, hat sie mit einem Extrovertierten den perfekten Partner an der Seite, der für sie viele Parts bei sozialen Kontakten übernimmt.
Das Gefühl, seltsam zu sein
Fühlt ihr euch selbst häufig seltsam, als würdet ihr der einzige Mensch sein, der sich eben nicht auf die After-Work-Party mit den Kolleg*innen freut? Der sich lieber überfordert zurückzieht, die Tür des eigenen Zuhauses hinter sich zuzieht und freudig aufseufzt, die Außenwelt draußen lassen zu können? Dann seid ihr womöglich introvertiert.
Oder habt ihr Menschen in eurem Umfeld, die immer wieder absagen. Nur sehr selten zu Job-Events erscheinen oder auffällig wenig Smalltalk betreiben? Dann ist dieser Mensch womöglich introvertiert.
Auf mich trifft ersteres zu, jedoch in anderer Ausprägung. So kann ich mich in einigen von Debbie Tungs Comicstrips wiederfinden. Freue mich zu entdecken, dass viele meiner Wesenszüge gar nicht komisch sind, sondern zu einer Introvertierten gehören. Das schlechte Gewissen, das mich überkommt, wenn ich eigentlich viel lieber lesen oder kreativ sein möchte, als zu einer Party zu gehen, auf der sich größtenteils Leute tummeln, mit denen ich keine Berührungspunkte habe und nicht weiß, über was ich reden soll, ist also gar nicht so merkwürdig. Aber ich habe gleichzeitig auch extrovertierte Züge – eben wenn ich mich sicher fühle und wenn es um Themen geht, die mich begeistern. Dann habe ich das Gefühl am richtigen Ort zu sein und kann sogar sehr offensiv und outgoing sein.
Quiet Girl ist ein Buch für uns alle! Es kann ermutigen und beruhigen. Ebenso kann es (er)klären und aufhellen. Wir alle profitieren von Debbie Tungs herzerwärmenden Geschichten, wir lernen dazu – über andere oder über uns selbst. Wir verstehen, dass es (tatsächlich!) Personen gibt, die wie wir ticken. Oder wir lernen, dass es keine Ausrede ist, wenn jemand uns sagt, dass sie/er gerne alleine ist.
Die Welt ist bunt und so sind wir. Achten wir auf uns – und zwar ganz so, wie es zu UNS passt. Debbie Tungs Quiet Girl stärkt uns dabei.
Im englischsprachigen Original ist Quiet Girl 2017 erschienen, danach folgte Book Love (2019), das bisher nicht ins Deutsche übersetzt wurde, aber auch mit grundlegenden Englischkenntnissen gelesen werden kann. Und es ist ebenfalls großartig.
6 Comments
Jana
11. April 2022 at 20:07Nachdem ich die Empfehlung jetzt von Kathrin und dir bekommen habe, wandert das Buch auf die Wunschliste. Ich finde es übrigens ganz erstaunlich und wunderbar, wie viele sich von uns Buchbloggenden als „introvertiert“ beschreiben und dann auf einer Buchmesse aufeinander zugehen, Kaffee trinken und gemeinsam Konzerte besuchen, als hätten wir nie etwas Anderes gemacht. Aber, wie du schreibst: Bei mir kommt es auch immer auf das Setting und die gemeinsamen Interessen an. :-)
booknapping
11. April 2022 at 20:27Hi Jana
Na dann :-D Viel Spaß beim Lesen und Entdecken wünsche ich dir. Bin gespannt, wie es dir gefällt.
Und auf diese Diskrepanz war ich in Gedanken auch gestoßen. Hat vielleicht wirklich damit zu tun, wie man sich wo wohlfühlt. Auch einer der Gründe, warum mir diese besonderen Treffen so fehlen, die Atmosphäre. Auch wenn ich danach immer sehr erschöpft von den vielen Menschen bin.
Anette
11. April 2022 at 14:22Ich wünschte, solche Bücher hätte es gegeben, als ich eine Teenagerin war. Selbst meine Mutter nannte mich „unnormal“.
booknapping
11. April 2022 at 20:26Weil du so viel gelesen hast? ;-) Zum Glück gibt es zumindest jetzt Bücher, die sich damit beschäftigen.
Ich weiß, dass ich immer schüchtern war, aber gleichzeitig habe ich auf den Putz gehauen. Weiß auch nicht, komischer Mix irgendwie.
Anette
14. April 2022 at 13:48Unter anderem. Weil ich nicht hübsch genug war, nicht genug „aus mir gemacht habe“, keinen Freund hatte, keine Party-Gängerin war und, und, und…
booknapping
15. April 2022 at 10:22Dass du das erfahren musstest, tut mir leid. Gut, dass es zumindest heute unterstützende Literatur gibt.
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