Illustrierte Bücher sind eine meiner Leidenschaften. Als ich das mythisch anmutende Cover von Als der Winter verschwand am Stand des Karl Rauch Verlags auf der Frankfurter Buchmesse entdeckte, wusste ich, das möchte ich lesen. Nun habe ich es getan und es war ein verzauberndes Leseerlebnis.
Anzeige
Titel: ALS DER WINTER VERSCHWAND
Autor: Aleš Šteger
Illustrationen: Tina Dobrajc
Übersetzung aus dem Slowenischen: Matthias Göritz
Erschienen: Februar 2022
Verlag: Karl Rauch Verlag
Ausgabe: Hardcover mit Lesebändchen, 176 Seiten, Euro 18, ISBN: 978-3-7920-0256-8
Link zum Roman und zur Leseprobe beim Verlag
Eine winterlose Welt
Damals kam er jedes Jahr, um den Winter zu vertreiben. Mit seinen am Gürtel hängenden Kuhglocken, dem mit struppigem Schaffell bedeckten mächtigen Körper und beeindruckend langen knorrigen Asthörnern auf dem Kopf konnte er jede Menge Angst einjagen. Sein mit Igelfell umwickelter Holzknüppel half auch nicht dabei, ihn harmloser wirken zu lassen.
Dennoch haben die Menschen sich gefreut, das Läuten des Kurents zu hören. Denn sie wussten, dass damit der harte Winter in der Steiermark endete und die Frühlingsblüher endlich die Erde über ihren Köpfchen durchbrechen würden. Der Kurent läutete den Frühling ein.
Seit vielen Jahren jedoch ist der Winter nicht zurückgekehrt, es gibt nur noch eine Jahreszeit – Sommer. Es ist immer heiß, der Kurent ist verschwunden und in Vergessenheit geraten. Einzig ein Eis am Stiel zeigt noch seine Gestalt, die Kinder mögen es, aber dass es sich um den Kurent handelt, weiß (fast) niemand mehr.
Und was läuft im ewigen Sommer besser als Eis? Genau das muss sich der Fabrikant Heller gedacht haben, als er die Große Eisfabrik in der Steiermark ins Leben ruf. Denn sämtliche Nahrung ist gefroren. Gemüse, Obst, Süßigkeiten – einfach alles. Und Heller hat das Monopol es herzustellen. Während die Natur und die Menschen leiden, ist er der Einzige, der von den Verhältnissen profitiert.
Zauberhaft schön und zugleich melancholisch
Kurent ist der Name des großen Wesens auf dem Cover von Als der Winter verschwand und er ist Teil der Mythologie Sloweniens. Aleš Šteger hat ihn als Protagonisten für seine Erzählung ausgewählt und Tina Dobrajc hat ihm seine Gestalt gegeben. Ihre winterlich anmutenden eisblauen Illustrationen haben sichtbare Strukturen, manchmal sind sogar Fingerabdrücke zu sehen, gehen eine perfekte Symbiose mit dem Text ein.
Das Ergebnis ist ein zauberhaft schönes und zugleich melancholisches modernes Märchen. Zunächst klingt es in alten Fußstapfen an, selbst die Sprache erinnert an einen traditionellen Märchentext. Dann wechselt die Geschichte direkt über ins Heute, blickt manchmal zurück auf die alte Zeit, in der es noch Jahreszeiten gab und der Kurent zum ausklingenden Winter gehörte. Bezüge zu Themen, die unseren Alltag prägen, allen voran der Klimawandel, sind allgegenwärtig.
Als der Winter verschwand hat mich mitgenommen in eine Welt, in der die Zerstörung der Natur durch den Menschen noch einen Schritt weiter ist. In der ein einzelner Mensch zu viel Macht innehat und am Ende ließ mich die Erzählung mit einer leisen Hoffnung gehen, dass wir doch noch etwas tun können …
Ein Highlight für alle, die gerne in Illustrationen versinken und sich beim Lesen der aktuellen Lage nicht verschließen wollen. Und ob die Sonne brennt oder Flocken vom Himmel fallen, der Kurent passt zu jeder Jahreszeit und zu jedem Menschen, egal welchen Alters.
2 Comments
Tina
26. Februar 2023 at 16:44Hi Sandra,
danke für die Vorstellung. Das du dem Buch deine Aufmerksamkeit geschenkt hast, bringt ihm auch mehr Aufmerksamkeit. Tatsächlich kenne ich dieses Wesen in Form kostümierter Menschen, die umherziehen um, ja, den Winter zu vertreiben? Ich kenne mich da leider nicht so aus, das Bild kam aus meinem Hinterstübchen. Das dürfte aber zu deiner Schilderung passen.
Liebe Grüße
Tina
booknapping
6. März 2023 at 08:16Danke, liebe Tina, für DEINE Aufmerksamkeit :-) Das Buch ist wirklich besonders und verdient viele Leser*innen.
Der Kurent – oder vielleicht auch unter anderem Namen? – scheint mir in Süddeutschland durchaus nicht unbekannt. Hier im Norden ist er mir allerdings noch nicht begegnet. Scheint mir, ein regionales „Wesen“ zu sein.
Liebe Grüße
Sandra
Mit Absenden deines Kommentars akzeptierst du meine Datenschutzbestimmungen.