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Comicrezension / Graphic Novels

Gilgamesch von Jens Harder. Eine Rezension.

Comic liegt in einem großen geflochtenen Korb

Das Gilgamesch-Epos gilt als eine der ältesten niedergeschriebenen Geschichten und bildet somit quasi den Grundstein auch für die heutige Literatur. Auf elf Steintafeln erzählt es vom König Gilgamesch, dem despotischen Herrscher Uruks, eine zwölfte Tafel scheint eine losgelöste Geschichte zu beinhalten. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden zunächst Fragmente, später dann auch weitere Teile der Tafeln gefunden. Uruk galt als eine der größten Städte in der Zeit Gilgameschs, fast 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Unweit von Babylon lag die mit 50.000 bis 80.000 Einwohnern für die damalige Zeit riesige „Machtzentrale“ und trägt heute den Namen Warka (Irak).

Seit Studienzeiten hegte Autor Jens Harder eine Faszination für das Epos des Gilgamesch und nahm sich vor eine Comicadaption der Odyssee des Despoten umzusetzen. Ende 2017 war es soweit und nun liegt sie in Form dieses 144 Seiten starken Hardcovers vor. Dem 127 Seiten umfassenden Comicteil des Buches, schließen sich ausführliche und überaus spannende Nachbemerkungen des Autors an, in denen er über die Entstehungsgeschichte des Buches berichtet. Auch davon, wie verstörend es sein kann, in der antiken Welt der Sumerer unterwegs zu sein, selbst Stätten mittels akribischer Recherchen und der eigenen Kunst wieder zum Leben zu erwecken, während zeitgleich auf dem TV-Bildschirm dieselben Figuren und architektonischen Meisterwerke, dieses aus Stein bestehende Erbe, mit Presslufthammern zerstört wird. Schwarz-Weiß-Fotos und ein Anhang geben weitere wertvolle Zusatzinformationen.

Mission gelungen

Vor Jahren las ich den Roman Gilgamesch von R. P. Mielke und hatte beim Lesen ein merkwürdiges Gefühl. Ich erinnere mich, dass ich in Wellen von Verzücktheit, Erstaunen und Verwirrung durch die Romanadaption schlidderte und auch im Nachhinein blieb mir das Ganze als ein nicht wirklich in Worte zu fassendes Leseerlebnis im Kopf. Als ich von der Comicadaption Jens Harders hörte, war ich sofort Feuer und Flamme das Epos in einer neuen und vermutlich ganz anderen Fassung zu lesen.

Harder überraschte mich mit einer auf den ersten Blick fast skurril wirkenden Zweidimensionalität in den Bildern und einer Sprache, die zum Alter der Vorlage hervorragend passt, im ersten Moment aber in ihren Satzstellungen und Formulierungen ungewohnt und starr ist.

sechs Panels von Seite 9 des Comics, zeigen die Entstehung Endikus

Jedes Bild, jedes Panel erinnert selbst an antike sumerische Tontafeln. So liest sich der visuelle Teil des Comics wie eine Aneinanderreihung vieler Tafeln, auch die beige-braune Farbgebung unterstützt diesen Effekt. Später im Nachwort habe ich gelesen, dass der Autor eben dieses Erlebnis bewusst herbeigeführt hat. Diese Art der Darstellung ist ungewohnt und ich habe den Band in insgesamt vier Etappen gelesen. Ich brauchte Pausen zwischendrin, da das Lesen mir Konzentration und einen anderen Blick als für gewöhnlich abverlangte.

Melodien

Dann der Text. Starr und ungewohnt. Aber gleichzeitig fiel mir nach der Hälfte der Seiten auf, dass ich ihn beim Lesen stellenweise in Form eines Gesangs hörte. Selbst eine gewisse Art von trommelnder „Hintergrundmusik“ gesellte sich dazu. Eine ganz tolle Erfahrung, die ich bisher nur mit dem Lesen eines etwas später erschienen Textes vergleichen kann – der Ilias von Homer. Als ich diese Melodien im Text wahrnahm und die sich anschließende Nachbemerkung las, wusste ich, dass Jens Harders Mission erfolgreich war, das ihn so begeisternde Gilgamesch-Epos in die Kunstform des Comics zu überführen. Ein Buch, das ich sicher wieder in die Hand nehmen werde. Eine beeindruckende Arbeit. Ich empfehle unbedingt einen Blick in die Leseprobe unten.

Gilgamesch

Geschrieben und gezeichnet von

Jens Harder

Genres und Leseprobe

Graphic Novel, Comicadaption, Antiker Klassiker
Eine Leseprobe kann direkt hier abgerufen werden und findet sich auch auf der Seite zum Buch beim Carlsen Verlag: Gilgamesch

Noch ein paar Details

Im Dezember 2017 erschienen im Carlsen Verlag, ISBN 978-3-551-76309-9
144 Seiten, Hardcover

Gelesen …

… in vier Etappen ausschließlich in der heimatlichen Leseecke

Weitere Meinungen in Blogs

Gilgamesch – Jens Harder bei Nerd-mit-Nadel

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Cover des Comics. Zeigt eine Gesichtshälfte des Endiku, Freund des Gilgamesch

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12 Comments

  • Erika Mager
    20. Februar 2018 at 17:21

    Heute hatte ich im Bonner Comic-Laden das Buch in der Hand, bevor ich Deine Rezension kannte. Das Cover zog mich sehr an, als ich dann aber die farblich und gestalterisch immer gleichen Bilder sah, habe ich es enttäuscht wieder zugeklappt.
    Mit Deiner Besprechung im Hinterkopf werde ich das nächste Mal sicher genauer hinschauen.
    Der erste Eindruck ist eben nicht alles.

    Reply
    • booknapping
      21. Februar 2018 at 07:43

      Liebe Erika,
      das kann ich so unterschreiben und ich versuche mich besonders bei Comics nicht isoliert von den Bildern leiten zu lassen. So oft schon, gefielen mir die Zeichnungen und der Aufbau auf den ersten Blick nicht besonders, aber in Kombination mit dem Text ergab sich dann etwas ganz Neues und Besonderes. Der Autor ist derzeit sehr „umtriebig“ und in Deutschland mit seinem Werk unterwegs. Es gibt einige Veranstaltungen, u. a. auch auf der Leipziger Buchmesse. Diese Lesungen sind sicher ein guter Platz, um mehr über den Comic zu erfahren.

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Reply
      • Erika Mager
        21. Februar 2018 at 10:01

        Guter Hinweis auf die Messe – da werde ich mich verstärkt um Grapic Novels bemühen und besonders nach Jens Harder umschauen.

        Reply
        • booknapping
          21. Februar 2018 at 16:23

          Ein sehr gutes Vorhaben :-) Bin gespannt, was du anschließend an Comics bei dir so vorstellen wirst. Würde mich darüber freuen.

          LG,
          Sandra

          Reply
  • Nicci Trallafitti
    20. Februar 2018 at 11:53

    Liebe Sandra,
    das mit den Steintafeln und vor allem mit der Melodie klingt ja super.
    Ich werde mir das Comic mal auf meiner Liste speichern.
    Danke für die tolle Vorstellung!

    Liebe Grüße,
    Nicci

    Reply
    • booknapping
      21. Februar 2018 at 07:35

      Hallo Nicci,
      hattest du auch schon mal so ein Erlebnis? Ich habe das bisher nur bei solchen klassischen antiken Texten erlebt. Ich möchte noch die Odyssee lesen und da hoffe ich jetzt auf ein ähnliches Erlebnis. Für mich zeigt das, dass Jens Harder die „richtige“ Sprache verwendet hat.

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Reply
      • Nicci Trallafitti
        21. Februar 2018 at 15:48

        Ich glaube nicht, kann mich zumindest nicht dran erinnern. Ich höre aber auch immer Musik beim Lesen, was dann akustisch in meinem Kopf im Vordergrund ist, auch wenn ich das ein wenig ausblenden kann und es mich nicht ablenkt :)

        Reply
        • booknapping
          21. Februar 2018 at 16:25

          Interessant. Mich stört Musik nicht, jedoch wähle ich meist welche ohne Text. Und auch eher klassische Werke, das unterstützt und intensiviert mein Leseerlebnis teils sogar.

          LG,
          Sandra

          Reply
          • Nicci Trallafitti
            21. Februar 2018 at 16:54

            Stimmt, Text kann manchmal ablenken, vor allem wenn man auf Englisch liest und englische Musik hört. Aber ich kann die Musik oft sogar recht laut hören. Kommt auf meine Verfassung und Konzentration an. Manchmal höre ich aber auch Filmmusik, zB von Assassins Creed.

  • NadelNerd
    18. Februar 2018 at 13:37

    Hallo Sandra,

    ok, wenn du auch mehrere Etappen gebraucht hast, dann lag es nicht an mir. Es ist vielleicht schwer zu lesen aber ich fand es auch absolut wert. Zeichnungen und Text bilden einfach eine wunderbare stimmige Einheit.

    Liebe Grüße
    Ariane

    Reply
    • booknapping
      18. Februar 2018 at 15:35

      Liebe Ariane,
      unbedingt! Ich habe es besonders in der zweiten Hälfte bemerkt. Da kam dann auch die „Melodie“ dazu :-)

      Liebe Grüße,
      Sandra

      Reply

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