Zunächst war es nur ein Kristall, der auf die Erde zuschoss. Nachdem die Menschheit seit zwanzig Jahren kein einziges Objekt gesichtet hatte, das eine Gefahr für den Planeten darstellen könnte, war da nun dieser kleine gerade mal drei Meter lange Kristall. Als der Kommandant der diensthabenden Patrouille diesen mit seinen Raumanzug-behandschuhten Händen berührte, erschien das Bild eines kleinen Mädchens in seinem Inneren.
„Woher kommst du?“, fragte der Kommandant.
„Von Epsilon Eridani – so nennt ihr anscheinend unser Sonnensystem. Gemessen in eurer Zeit, bin ich schon sechzigtausend Jahre unterwegs.“ Erneut schrie sie: „Der Weltenzerstörer kommt! Der Weltenzerstörer kommt!“
„Bist du lebendig?“
„Natürlich nicht. Ich bin bloß eine Botschaft. – Der Weltenzerstörer kommt! Der Weltenzerstörer kommt!“
Weltenzerstörer von Cixin Liu, S. 11
Dem Kristall folgte eine Vorhut des Weltenzerstörers: Ein Raumschiff mit einem Botschafter, den sich die Menschen sicher in anderer Gestalt gewünscht hätten. Beißer maß an die zehn Meter und war eine gewaltige Echse. Und bei der ersten Kontaktaufnahme nahm er spontan einen Imbiss: ein Mitglied des menschlichen Empfangskomitees.
Kurz
Cixin Lius Trisolaris-Trilogie hat sich in meiner persönlichen Hall of Fame der besten Science Fiction-Romane verewigt. Und da die Bücher auch bei anderen Entzücken hervorgerufen haben, werden nun nach und nach weitere Werke des chinesischen Autors ins Deutsche übersetzt. Was für ein Glück.
Weltenzerstörer ist eine gut 70-seitige Novelle, die damit nur zwei Drittel des Taschenbuchs füllt. Alleine zwanzig Seiten sind einer Vorausschau auf den dritten Trisolaris-Band vorbehalten, der erst im April 2019 erscheint. Weiterhin ist ein Essay enthalten, der sich damit beschäftigt, was chinesische Science Fiction eigentlich chinesisch macht (von Xia Jia).
Ehrlich gesagt, hätte mir die Novelle gereicht – vielleicht noch die Anmerkungen, aber dann wäre es genug gewesen. Die Form der Novelle ist in Deutschland eher wenig vertreten, Kurzgeschichten werden ebenfalls wenig beachtet, weshalb ein solcher Band dann wohl eher mit Zusatzmaterialien „aufgefüllt“ wird.
Parallelen
Weltenzerstörer (2002) ist einige Jahre vor Trisolaris (2007) entstanden und zwei Jahre vor Spiegel. Besonders auf den ersten Seiten fühlte ich mich doch an einigen Stellen an Der dunkle Wald (Trisolaris 2) erinnert. So ähnelt der alarmschlagende Kristall den Sonden in dem berühmten „Vorbild“. Ein außerirdisches Volk bedroht die Erde und Ameisen auf Grabsteinen (?)… das habe ich doch anderswo schon einmal gelesen. Es scheint offensichtlich, dass der Autor Elemente, die er damals in dieser Novelle präsentierte, später in seinem großen Werk wieder aufnahm. Womöglich war es seine Inspiration? Nachdem Weltenzerstörer dann doch noch einen eigenen Weg ging und mir nicht einfach den bekannten Trisolaris-Spannungsbogen in vereinfachter Form auftischte, war ich aber versöhnt und habe die 70 Seiten genießen können.
Insgesamt fehlt Weltenzerstörer aber die philosophische Tiefe und der geschickte Aufbau. Auch an die im ebenfalls im Taschenbuch erschienene Novelle Spiegel reicht es nicht heran. Nichtsdestotrotz ist es eine spannende Erfahrung dieses frühere Werk des Autors zu lesen und damit einen Einblick in seinen schriftstellerischen Werdegang werfen zu dürfen. Kein Muss, aber ein Kann. Ich empfehle die Lektüre direkt nach Der dunkle Wald (Trisolaris 2).
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Weltenzerstörer
Geschrieben von
Cixin Liu
Essay: Xia Jia
Übersetzt
aus dem Chinesischen von Marc Hermann
Genre und Leseprobe
Science Fiction.
Eine Leseprobe finden sich auf der Verlagswebseite: Leseprobe beim Verlag
Noch ein paar Details
Erschienen am 13. August 2018 im Heyne Verlag (Taschenbuch, ISBN 978-3-453-31925-7, 128 Seiten)
Gelesen …
… im Zug auf dem Arbeitsweg
Weitere
… Rezensionen zu Büchern von Cixin Liu sind hier im Beitrag verlinkt und finden sich in meinem Rezensionsindex
Das Buch habe ich als kostenfreies Rezensionsexemplar erhalten.
Meine Meinung ist davon völlig unbeeinflusst.
4 Comments
Janna | KeJas-BlogBuch
23. Oktober 2018 at 19:00Ooorrr, Box vergessen und jetzt ist der ganze Text weg :( :( Sorry, aber das krieg ich net mehr alles zusammen. Tenor war: ich pack mir jetzt die beiden Novellen auch auf die Wunschliste (=
booknapping
25. Oktober 2018 at 07:19Oh nein :-O Das tut mir sehr leid. Aber, deine „Zusammenfassung“ sagt ja auch schon einiges aus :-) Du wirst jetzt auch die Novellen lesen. Bin gespannt auf deine Meinung.
LG,
Sandra
Janna | KeJas-BlogBuch
23. Oktober 2018 at 10:21Hab die Trilogie schon auf meinem Leseradar, Band 1 auf der Wunschliste. Ich bin mir nun unsicher, die Novelle lieber erst nach den dicken Büchern lesen oder geht es auch, damit einzusteigen? Weil du meintest Ausblick auf teil 3, scheint also etwas vorweg zunehmen?
Liebe Grüße!
booknapping
23. Oktober 2018 at 18:22Hallo Janna
Ich denke, du kannst diese und auch die Novelle „Spiegel“ durchaus auch vor der Trisolaris-Trilogie lesen – der Bezug zur Trilogie in „Weltenzerstörer“ verrät nicht unbedingt etwas.
Allerdings kann ich dir nur empfehlen, die Leseprobe zum zweiten bzw. dritten Band auszulassen. Ich bin damals völlig ohne auch nur den Klappentext von „Die drei Sonnen“ gelesen zu haben, an das Buch herangegangen und war im Rückblick sehr froh drum. Selbst ich, die ja Trisolaris 1 und 2 kennt, habe die Leseprobe zum 3. Teil weggelassen. Ich warte lieber auf die Übersetzung, die nächstes Jahr im April erscheint :-) Viel Spaß mit diesem ganz besonderen Autor.
Liebe Grüße,
Sandra
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